Die Erfindung des Allmächtigsten
Schaut
man sich eine Weltkarte der Religionen an, so entsteht ein Eindruck, der die
tatsächliche Entwicklung völlig auf den Kopf stellt. Es scheint so, als sei
über die ganze Welt der Glaube an einen Gott, Schöpfer von Welt, Erde und
Menschen vorhanden, der nur spezifische Schattierungen aufweist. Die jüdische
Religion ist zwar nicht so zahlreich vertreten wie andere Religionen, stellt
aber einen immer noch bedeutsamen Ursprung des Monotheismus dar. Die
Christenheit, mit über 2,2 Milliarden die größte Religionsgemeinschaft, glaubt
an ihren einen GOTT, die 1,8 Milliarden Mohammedaner an ALLAH, die Buddhisten
an BUDDHA. Was übrig bleibt, sind einerseits veraltete Restbestände einer
antiquierten Vielgötterei: Hinduisten und primitive Stammesreligionen.
Andererseits gibt es den kommunistischen (v.a. die Volksrepublik China) und den
nachkommunistischen Block (v.a. die Länder des ehemaligen Warschauer Paktes),
die jeglichen Glauben jahrzehntelang verboten und damit auch sehr stark gemindert
haben.
Der Eindruck täuscht. Zum einen ist Buddha ein Gelehrter,
ein erleuchteter Meister, dessen Lebenswerk seine Anhänger zwar entscheidende
Lebensregeln verdanken. Im Hintergrund stehen jedoch die alten hinduistischen
Götter: letztendlich ist der Buddhismus ein Polytheismus. Allein damit
reduziert sich die Anzahl der Menschen, die an monotheistische Religionen
glauben, auf weniger als die Hälfte der Menschheit.
Noch
drastischer sieht es aus, wenn wir das Rad der Geschichte einmal zurückdrehen:
- Vor
500 Jahren, besonders vor der Entdeckung Amerikas durch COLUMBUS, beschränkte
sich der Glaube an einen einzigen Gott auf den europäischen und vorderasiatischen
Raum.
- Vor
1.500 Jahren gab es nur jüdische und christliche Religionen in einem (weltweit
gesehen) sehr begrenzten Gebiet.
- Vor 2.500 Jahren glaubten nur die Juden an einen einzigen Gott.
- Vor 3.500 Jahren gab es nur polytheistische Religionen.
Das
scheinbare Vorherrschen monotheistischer Religionen ist nichts Ursprüngliches,
sondern das Ergebnis einer gewaltigen Expansion. Die Missionierung ist eine
einzige Kette von Vernichtungen, Eroberungen, Unterwerfungen und, in den
wenigsten Fällen, auch wirklicher Bekehrungen. Es geht hier aber nicht darum,
die Eroberungspolitik des Christentums an den Pranger zu stellen. Das ist in
den Berichten über Kreuzzüge und die Eroberung Amerikas in vielfältiger Weise
bereits anderenorts zur Genüge geschehen.
Die
Analyse der ersten Kapitel der Genesis ergab, dass auch darin die Überarbeitung
eines polytheistischen Textes durch eine monotheistische Religion festzustellen
ist (vgl. auch Gunkel: 1921). Somit stellt sich die Frage nach dem Beginn des
Glaubens an einen einzigen Gott, nach der Entdeckung oder Erfindung GOTTES. Da
dieser Ursprung inzwischen weitgehend bekannt ist, soll er hier nur in aller
Kürze und mit einer kleinen, psychoanalytisch inspirierten Variation,
referiert werden.
Im
Jahre 1.353 v. Chr. starb der ägyptische Pharao AMENOPHIS III., und sein Sohn
AMENOPHIS IV. bestieg den Thron. Dieser regierte insgesamt 17 Jahre, bis 1.336
v. Chr. Zu dieser Zeit herrschten auf der ganzen Welt polytheistische
Religionen der verschiedensten Schattierungen vor. In Ägypten verehrte man
Hunderte von Göttern. Außer dem Sonnengott RA, AMON und PTAH die oft im
Hintergrund standen, vor allem den Totengott OSIRIS und seine Schwester ISIS.
In der weiteren Umgebung Ägyptens huldigte man vornehmlich den Vulkangöttern,
die mit den Eigenschaften brutaler Rächer ausgestattet und kaum zu besänftigen
waren. Vielleicht eine Folge des abrupten und fast unbegreiflichen Untergangs
eines zweiten großen Reiches dieser Zeit: einiges spricht dafür, dass das
minoische Reich auf Kreta Opfer von vulkanischen Aktivitäten geworden ist. So
war auch der hebräische Gott JAHWE zur damaligen Zeit ein solcher Vulkangott.
Doch
bereits nach kurzer Amtszeit überrascht AMENOPHIS IV. seine Gläubigen mit einer
unglaublichen Nachricht:
Er
behauptete schlichtweg, die bisherige Religion sei überholt, die bisher von
seinen Untertanen fleißig verehrten Götter gäbe es gar nicht und habe es nie
gegeben! Statt dessen gelte fortan:
+ Es gibt nur einen Gott.
Daher
mögen die Untertanen auch nur an diesen einzigen Gott, einen allmächtigen
Schöpfer glauben, dessen Name "ATON" sei! Als ein leuchtendes Vorbild
für sein Volk begann AMENOPHIS auch gleich, sich selbst entsprechend
umzubenennen:
"Im
Jahre 5 ändert der König auch seinen Namen von AMENOPHIS ("Amun ist zufrieden")
in ECHNATON (Achen-Aton), der sowohl mit "Dem Aton wohlgefällig" wie
auch mit "Der Strahl des Aton" übersetzt werden kann."
(Brunner-Traut: 17).
Eine
wirklich revolutionäre Veränderung, nach Jahrtausenden eines überlieferten
polytheistischen Glaubens so etwas! Man stelle sich einmal einen solchen Wandel
innerhalb der christlichen Religion vor. Es läßt sich kaum ausmalen, was
geschähe, wenn nach dem Tode von JOHANNES PAUL II. ein neuer Papst gekürt
würde, welcher der gläubigen Christenheit verkündete, die Chose mit dem einen
Gott habe gar nicht gestimmt! Statt dessen gäbe es eine Vielzahl von Göttern,
die nun verehrt werden sollen!
Kaum
werden die Ägypter die schockierende Mitteilung ihres Pharaos überwunden
haben, werden sie sicher sofort nach dem Aussehen dieses Gottes, nach Bildern
und Statuen von ihm gefragt haben. Schließlich bedeutete Religion ja für sie,
ihren Göttern Heiligtümer zu errichten. Dort wurden ihre Bildnisse aufgehängt,
dort wurde ihnen geopfert. Doch dann kam der zweite Hammer:
+ Keine Bildnisse!
Nicht
nur, dass es von diesem Gott ATON kein Konterfei gibt. Keine Entschuldigung
derart, dass die Bildhauer des Hofes in Verzug geraten seien, die Malerinnen
sich in Mutterschutzurlaub befänden und die gewünschten Porträts bald
nachliefern würden: Zur neuen Religion gehört gar das Verbot, sich überhaupt
ein Bild des Gottes zu machen! Die Erbauer der Pyramiden werden Bauklötze
gestaunt haben.
Wo
sollte denn nun der Gottesdienst abgehalten werden, vor welchen Statuen
sollten die Opfer gebracht werden? Die nächste Sensation folgt sofort:
+ Keine Opfer!
Die
Opferung von Früchten, Tieren (bisweilen gar Menschen) wird vollständig aus der
Reihe religiöser Handlungen verbannt. Nicht zu fassen. Was bedeutet denn jetzt
noch Religion? Gibt es nur einen einzigen Gott, etwa für alles zuständig? Keine
Bildnisse, keine Opfer? Was ist denn jetzt noch Gottesdienst? ECHNATONs Antwort
wird nicht gerade zur allgemeinen Beruhigung beigetragen haben:
+ Glauben!
Das
war bisher nun wirklich nicht unbedingt nötig. Kein Ägypter, auch später kein
Grieche und kein Römer musste tatsächlich an die vielen Götter glauben. Es
reichte völlig aus, ihnen zu opfern und sie (sofern vorhanden) dadurch zu
besänftigen. Glauben? Einfach so? Sollte das alles sein, was eine Religion
ausmacht? Nein. Es sollte noch schlimmer kommen. Was die neue Religion
verlangte, war eine bestimmte Gesinnung, eine Lebensweise ungefähr
entsprechend den Regeln der MAAT, der Tochter des ehemaligen Sonnengottes RA:
+ Ein Leben in Wahrheit und Gerechtigkeit!
All
das wird kaum auf Begeisterung gestoßen sein. Denken wir noch einmal an den
Vergleich mit unserer Zeit, so hieße dies, dass ein neuer Papst nach der
Verkündung des Polytheismus den hintersten Schuppen des Vatikan öffnen würde,
Hunderte von Gemälden und Figuren auspackte und verteilte sowie der Christenheit
erklären würde: "Ihr braucht ja nicht dran zu glauben, es reicht, wenn ihr
diesen Göttern Opfer darbringt. Und den albernen Quatsch mit den zehn Geboten
und den Regeln der Nächstenliebe könnt ihr auch ruhig vergessen, nur fleißig
geopfert und das Himmelreich ist Euer!"
Für
einen Menschen, der in der Kultur des christlichen Abendlandes groß geworden
ist, scheinen die Regeln der neuen ägyptischen Religion, der Religion des
ECHNATON allerdings durchaus bekannt:
+ Es gibt nur einen Gott.
+ Keine Bildnisse!
+ Keine Opfer!
+ Glauben!
+ Ein Leben in Wahrheit und Gerechtigkeit!
Sie
erscheinen darüber hinaus, unabhängig von ihrer Vertrautheit, auch recht sympathisch
zu sein, sind es doch die Attribute, deren sich die Christenheit in besonderer
Weise rühmt. Doch monotheistische Religionen haben nun einmal auch ihre
Schattenseite. Ein unbeliebter und häufig verdrängter Aspekt scheint wie
automatisch in sie eingebaut zu sein und kann nur mit großem Aufwand
niedergehalten werden kann:
- Intoleranz!
Nicht
nur die bereits erwähnten brutalen "Missionierungstaten" der
vergangenen Jahrhunderte legen darüber ein schreckliches Zeugnis ab.
Hexenverbrennungen, Scheiterhaufen für Wissenschaftler, überhaupt die gesamte
Inquisition des Mittelalters sind massive Auswüchse einer unfaßbaren
Intoleranz. Polytheistischen Religionen ist so etwas zumeist fremd. Ein Grieche
und ein Römer haben sich ganz zwanglos über ihre Götter unterhalten können. Sie
konnten Gleichartigkeiten und Unterschiede registrieren und miteinander ihren
Göttern opfern. Nicht so bei monotheistischen Religionen. Man möge sich nur an
eine der bekanntesten Stellen in der Bibel erinnern, wo beispielsweise in den
ersten drei Geboten ganz klar gesagt wird:
"Ich
bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat; aus dem Sklavenhaus. Du
sollst neben mir keine anderen Götter haben. Du sollst dir kein Gottesbild
machen und keine Darstellung von irgend etwas am Himmel droben, auf der Erde
unten oder im Wasser unter der Erde. Du sollst dich nicht vor anderen Göttern
niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr,
dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir feind sind, verfolge
ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation;
bei denen, die mich lieben, und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden
meine Huld. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes nicht mißbrauchen;
denn der Herr läßt den nicht ungestraft, der seinen Namen mißbraucht." (Ex
20, 1-7).
Diese
Intoleranz begegnet uns bereits bei dem ersten Aufblitzen eines monotheistischen
Glaubens: ECHNATON und seine Anhänger beginnen zu wüten. Fast alle Mitglieder
der Priesterschule in On werden liquidiert und durch die Vertreter der neuen
Religion ersetzt. Sämtliche Götterbilder, deren die Garde ECHNATONs habhaft
werden kann, werden vernichtet. Auf allen größeren Bauwerken, auf denen das
Wort "Götter" steht, wird es durch "Gott" (ATON) ersetzt.
War dies nicht oder nur schwer möglich, wurde es gleich komplett zerstört.
Vernichtung, Plünderung, Zerstörung, Verwüstung, und Ausrottung. Ein brutales
Verhalten, was sich knapp dreitausend Jahre später fast genauso wiederholen
sollte, als die spanischen "Missionare" auf die Kulturen der Mayas,
Inkas und Azteken trafen.
Doch
ECHNATON stirbt bereits im Jahr 1.336 v. Chr. Nach einer relativ kurzen Übergangszeit
(vielleicht auch unter seiner Tochter MERITATON) und einem Zustand unklarer,
vielleicht anarchischer Verhältnisse, ist um 1.333 v. Chr. mit der Thronbesteigung
TUTH-ANCH-AMUNS der erste Monotheismus der Menschheit vorüber. Die alte,
polytheistische Religion wird wieder in ihre Rechte eingesetzt. Die Heiligkeit
der alten Götter wird wiederhergestellt, ihre Statuen und Gebäude werden,
soweit möglich, restauriert, an der Priesterschule in ON lehren wieder die Anhänger
von RA, AMON, OSIRIS, ISIS, HORUS & Co. Der Spuk ist vorbei, offiziell
zumindest.
Aber
ist der Spuk wirklich auch ganz vorbei? Keineswegs. Einige Anhänger der
ATON-Religion haben die erneute Wende sicher gut überstanden, schließlich sind
Polytheisten in aller Regel etwas toleranter. Zu einer Zeit, die nicht ganz
genau datierbar ist, etwa zwischen 1.330 und 1.280 v. Chr., (die
Geschichtsschreiber streiten sich da) beginnt der zweite Anlauf des
Monotheismus. Und er beginnt mit einem Mann, dessen Name jeder kennt, obwohl er
gar keinen hat.
Zum
Vergleich: In skandinavischen Ländern ist es üblich gewesen, den Namen eines
Mannes dadurch zu bilden, dass dem Vornamen des Vaters ein Zusatz angehängt
wurde, der kundtat, dass er der Sohn des Betreffenden ist. Dieser Zusatz lautete
-son, -sen oder einfach nur -s. Der Sohn des Erik hieß Erikson, der Sohn der
Johann hieß Johannsen, der Sohn des Jürgen hieß Jürgens. Der Zusatz allein
genommen stellt jedoch keinen Namen einer skandinavischen Sprache dar. Würde
man von einem Herrn Son, einem Herrn Sen oder nur von Herrn S hören, könnte man
eher an Chinesen oder Koreaner denken. Bestenfalls. Nur in Verbindung mit dem
väterlichen Vornamen wird daraus ein eigenständiger Name.
Das
gleiche gab es in der ägyptischen Sprache, dort heißt das Anhängsel, welches
"Sohn von..." bedeutet: -moses! Beispiele dafür gibt es im
ägyptischen Königshaus in Hülle und Fülle: AH-MOSES, THUT-MOSES (TOTHMES),
RA-MOSES (RAMSES) etc. Der uns allen bekannte MOSES hatte - durchaus passend zu
der merkwürdigen Geschichte seiner Abstammung - überhaupt keinen eigenständigen
Namen, sondern trug als Eigennamen nur das ägyptische Kürzel für "Sohn
von...". S. FREUD, der Gründer der Psychoanalyse, zeigt das in seinem
großartigen Werk "Der Mann Moses und die monotheistische Religion"
überdeutlich.
Seine
Abstammung, der Mythos, dass er als ausgesetztes Baby am Flussufer gefunden
und von Fremden aufgezogen wird, ist, näher betrachtet, auch so außergewöhnlich
nicht. MOSES steht damit in einer Reihe ähnlicher Geburtsmythen, die mit GILGAMESCH
(König von Uruk) beginnen und bei MOGLY (Das Dschungelbuch) noch nicht enden.
Hierzu zählen: AMPHION, HERAKLES, KARNA, KYROS, ÖDIPUS, PARIS, PERSEUS,
ROMULUS, SARGON von AGADE, ZETHOS u.a. (vgl. Freud: 28).
FREUD
bringt in seinem letzten Werk mit der psychoanalytischen Methode den zwingenden
Beweis, dass MOSES ein Ägypter war und vermutlich aus dem Umfeld ECHNATONs
stammte. Ob er nur ein Anhänger des Pharaos war oder gar ein unehelicher
Sohn, wird wohl im Dunkel der Geschichte bleiben. Doch überzeugend ist die Beweisführung,
wie MOSES sich einen Volksstamm, die von den Ägyptern versklavten Semiten
auswählte und sie aus Ägypten, das bei seinen vielen Gottheiten bleiben wollte,
heraus in ein gelobtes Land führte. Daher rührt auch sicher die Vorstellung
der Juden, "das auserwählte Volk" zu sein, alle andere Deutung macht
keinen Sinn: "man hört wohl manchmal davon, dass ein Volk einen anderen
Gott annimmt, aber nie, dass ein Gott sich ein anderes Volk aussucht."
(Freud 1938: 57).
MOSES,
der teilweise bereits als der Stammvater der monotheistischen Religion
angesehen wurde, ist der wahre Vollender des ersten Versuchs, nur einem Gott zu
huldigen, der seinen Ausgangspunkt im Ägypten von ECHNATON hatte. Auch die
Ähnlichkeit einiger der zehn Gebote, die MOSES später dem Volk übergab, mit den
Regeln der ATON-Religion kann kein Zufall sein und war es auch nicht. MOSES
brachte den Semiten genau diese Religion. Inclusiv übrigens einer Sitte, die
damals ebenfalls nur in Ägypten vertreten war: Das Ritual der Beschneidung als
Zeichen der Erwähltheit.
Am
Ziel ihrer Flucht aus Ägypten mussten dann die Semiten allerdings noch eine
böse Überraschung erleben: das gelobte Land war nicht leer, sondern ein
bewohntes Land. Die dort ansässigen Stämme wurden erst nach heftigen und
verlustreichen Schlachten besiegt, wenngleich nicht vollständig vernichtet. Um
Semiten und Judäer (wieder?) zu einem Volk zusammenwachsen zu lassen, musste
man ihnen aber zunächst eine einzige, gemeinsame Religion vermitteln. Genau
dabei aber nun stießen der alte, ortsansässige Glaube und viele Götter und der
neue Glaube an nur einen Gott aufeinander. Erst nach langen, sicher mühevollen
Verhandlungen, vor allem der richtungsweisenden Konferenz von Qadeš, entstand
so der religiöse Kompromiss, der sich über das Alte Testament bis in unsere
Tage gerettet hat. Eine polytheistische Religion mit dem von ihr verehrten
Vulkan- und Rächergott JAHWE vermischt sich mit ECHNATONs ATON-Religion, einem
Monotheismus, der über MOSES und die Semiten ins Land importiert worden ist.
Auf
dem Weg zu dem selbstgesteckten Ziel, etwas über das Wesen des Menschen durch
Analyse uralter Texte etwas auszumachen, endlich ein etwas angenehmeres
Etappenergebnis. Zwar könnten vielleicht einige jüdische und christliche
Theologen noch Einspruch erheben wollen. Aber diese These wird von der
Mehrzahl der etablierten Wissenschaftler ebenso vertreten, und unser Werk
befindet sich einmal im Einklang mit der herrschenden Ansicht.
Doch
dummerweise müssen wir diese Lehrmeinung ein klein wenig korrigieren. Diesmal
sei ausdrücklich "Meinung" gesagt, eine letzte Sicherheit haben wir
nicht. Eher ein dumpfes Gefühl, ein unstillbarer Zweifel überkam uns und wurde
zur Gewissheit, als wir Biographien von ECHNATON vornahmen und dabei zum
ersten Mal ein Bild von ihm, von einem entscheidenden Revolutionär der gesamten
Menschheitsgeschichte sahen, dem angeblichen Erfinder GOTTES.
Abb. 1: Kopf des Pharao ECHNATON,
Staatliche Museen Berlin
Nein
niemals! Wir hätten vieles erwarten können. Vielleicht das Antlitz eines
stolzen oder leicht brutal wirkenden Herrschers, dem die Durchsetzungsfähigkeit
nur so im Gesicht geschrieben steht. Auch das Gegenteil mochte möglich sein:
ein kleinerer, untersetzter Mann mit verkniffenen Gesichtszügen, der offenbar
eigene Schwächen dadurch zu kompensieren versucht, dass er eine übermächtige,
einzigartige GOTT-Vater-Figur verehrt und verehren lässt. Aber solch ein
Gesicht mit zu tief hängenden Lidern und einer ausgeprägten Naso-labial-Falte,
wie sie bei Menschen mit länger bestehenden Magengeschwüren öfter zu finden
sind? Solch ein melancholischer, geradezu depressiver Gesichtsausdruck passt
überhaupt nicht zu der gigantischen Tat, die ihm zugeschrieben wird. Diese
Ansicht ist natürlich nicht beweisbar, auch nicht leicht zu vermitteln. Eher
psychiatrisch tätige Ärzte, die sich ebenfalls häufig erst einmal mit einem
"klinischen Blick" aushelfen müssen, bevor sie zu einer definitiven
Diagnose gelangen, können unsere Zweifel vielleicht verstehen. Die Plastik
seines Kopfes war eindeutig, weitere Bilder des Pharaos bestätigten den Eindruck
nur umso nachhaltiger
Abb.
3: Statue ECHNATONS aus dem
Aton-Tempel in Karnak
Die
kollossartige Statue mit dem typisch weiblichen Muster der Fettverteilung hat
schon zu vielen fruchtlosen Spekulationen angeregt. Doch ungeachtet seines
Aussehens belegen alle geschichtlichen Werke über diese Zeit: es war wirklich
ECHNATON, der die Verehrung eines einzigen GOTTES konsequent umsetzen ließ.
Aber stammte der Gedanke auch von ihm? Oder realisierte er nur, was ihm jemand
anderes vorgab?
Betrachtet
man weitere Bilder, die von ECHNATON überliefert sind, so fällt eines sofort
daran auf: er wird bei seinen Amtshandlungen sehr häufig zusammen mit seiner
Gattin abgebildet. Viel öfter, als das bei anderen Pharaonen je der Fall war.
Und diese Frau ist bekannter als ECHNATON selbst, ihre Büste ist selbst Menschen
bekannt, die sich nur sehr wenig mit der ägyptischen Geschichte oder der
Religionsgeschichte befasst haben: NOFRETETE.
Abb.
4: Büste der Nofretete. Ägyptisches
Museum Berlin.
Gar
kein Zweifel: die dramatische Umstellung der angestammten Religion passt zu dem
Äußeren dieser Frau erheblich besser als zu ihrem Mann, der daneben eher wie
ein "Pantoffelheld" aussieht. Natürlich können wir die Behauptung,
der Glaube an einen Gott sei eine Erfindung der NOFRETETE, nicht einzig an dem
subjektiven Eindruck festmachen, den ihre Büsten in uns auslösen. Doch
verfolgt man den eher gefühlsmäßig ausgelösten Gedanken anhand des vorhandenen
Materials genauer, stößt man auf eine Flut weitere, fast erdrückender Indizien.
1.
Pharao ECHNATON scheint von dieser Frau mindestens fasziniert gewesen zu sein,
wenn er nicht sogar so psychisch labil war, dass er ihr regelrecht verfallen
war. Schließlich war er der designierte Thronfolger seines Vaters AMENOPHIS
III. und hatte aller Etikette nach für seine Thronbesteigung die Frau zu
nehmen, die für ihn bereitstand: eine seiner Schwestern, zum Beispiel ISIS.
Was für den europäischen Kulturkreis befremdlich erscheinen mag, galt für einen
ägyptischen Pharao als feste Regel: die Gattin hat aus der allernächsten
Verwandtschaft zu stammen; zumeist war es auch direkt die nächstgeborene Schwester.
Doch ECHNATON wich mit der Wahl NOFRETETEs radikal von dieser Sitte ab. Ihre
genaue Abkunft ist unbekannt; von den vielen dazu aufgestellten Thesen scheint
die älteste Vermutung am wahrscheinlichsten: NOFRETETE war syrischer
Abstammung.
Darüber
hinaus hat wohl noch nie ein Pharao versucht, sich seiner Gattin im Äußeren so
sehr anzunähern, wie ECHNATON. Auf vielen Reliefs, die beide Regenten gemeinsam
zeigen, ist kaum zu unterscheiden, wer nun ECHNATON und wer NOFRETETE ist.
Immer gibt es die gleiche Körperstellung und -haltung, der Kopfschmuck ist
außerordentlich ähnlich und zumeist erkennen wir eindeutig bei ECHNATON
weibliche Brüste. Auch die vorige Abbildung ECHNATONs wies unübersehbar Züge
einer weiblichen Figur auf!
2.
Bereits NOFRETETEs Name, der in der Übersetzung bedeutet: "Die Schöne
kommt", spricht dafür, dass sie von einem fremden Hof gekommen sein kann.
Seit den Zeiten AMENOPHIS III. bestanden hervorragende Beziehungen zwischen der
ägyptischen Weltmacht und dem im heutigen Syrien gelegenen Reich der Mitanni.
Daher ist schon von vielen Autoren die Vermutung geäußert worden, sie sei in
Wahrheit die Mitanni-Prinzessin TADUCHEPA
gewesen, die AMENOPHIS III. nach Ägypten geholt hatte.
"Besonders
interessant ist jener Brief, den der Mitanni-König TUSCHRATTA beim Tode
AMENOPHIS III. an die Königinwitwe TEJE sandte. In diesem Schreiben erinnert
TUSCHRATTA die Königin an die Freundschaft, die zwischen ihm und dem Verstorbenen
bestanden hat. Er bittet nun TEJE, dafür Sorge zu tragen, dass diese
freundschaftliche Beziehung auch unter AMENOPHIS IV. weiter bestehen möge. Aus
diesem Brief kann man die Furcht des asiatischen Herrschers ablesen, beim
Regierungswechsel könnten in den Beziehungen zwischen Ägypten und Mitanni
ungünstige Veränderungen eintreten, die ihn für den Bestand seines Reiches
fürchten ließen." (Schlögl: 102f.)
Offensichtlich
war aber diese Befürchtung völlig unbegründet.
3.
NOFRETETE war die mächtigste Regentin, die jemals auf einem ägyptischen
Königsthron gesessen hat.
"Keiner
großen Königsgemahlin in Ägypten war je eine bedeutendere Machtposition
zugefallen als Nofretete. Sie war an allen staatlichen und religiösen Akten des
Königs beteiligt. So erscheint sie auf Reliefs in Szenen, die sonst
ausschließlich dem Pharao zustanden, etwa auf dem Streitwagen oder bei der
Verleihung des Ehrengoldes. Ganz außergewöhnlich ist die Darstellung auf einem
Reliefblock im Museum of Fine Arts in Boston, welcher Nofretete als Kriegerin
beim «Erschlagen der Feinde» zeigt. Bei diesem Bildtypus, der seit der
ägyptischen Frühgeschichte belegt ist, erscheinen sonst grundsätzlich nur der
regierende König oder Götter. In Schrittstellung ist der König oder der Gott
mit erhobener Keule oder Sichelschwert in dem Augenblick wiedergegeben, bevor
er die Feinde, die er mit der Hand an den Haaren gepackt hält, niederschlägt.
Der Bildtypus vom »Erschlagen der Feinde» ging dabei weit über den rein
politischen Bereich hinaus und hatte eine übertragene Bedeutung: Die
chaotischen Mächte sollten ferngehalten oder vernichtet werden, um die Ordnung
der Welt zu gewährleisten. Keine Darstellung zeigt deshalb die Machtfülle, ja,
eine göttliche Überhöhung der Nofretete deutlicher als jener Reliefblock in Boston."
(Schlögl: 113)
Hinzu
kommt, dass (etwa auf NOFRETETEs Geheiß?) die entscheidenden Machtpositionen
am ägyptischen Hof von einem Syrer eingenommen worden waren:
"Der
Syrer Tutu gelangte zu einer besonderen Machtfülle: Er stieg zum «Kammerherrn»
auf, war «Oberbaumeister des Königs» und «Oberster Mund des ganzen Landes»
(eine Art königlicher Propagandachef). Er bekleidete auch das Amt des
Finanzministers, dem auf königlichen Befehl alle Beamten und führenden
Persönlichkeiten die Abgaben und Steuern zu entrichten hatten. (...)
In
der neuen Hauptstadt Achetaton hatte der König eine eigene Priesterschaft,
wobei der «Erste Diener des Gottes Aton» zugleich «Zweiter Prophet des Herrn
der Beiden Länder» war. Es war wieder Tutu, der mit dem Amt eines «Ersten
Propheten des Herrn der beiden Länder» betraut wurde." (Schlögl: 53f.)
4.
Außer ihrer Machtstellung am Hof weist die möglicherweise syrische Abstammung
darauf hin, dass es ebenfalls NOFRETETE war, die in Ägypten die erste
monotheistische Religion der Welt etablierte. Gerade, wenn sie aus Syrien
gekommen war, hing sie natürlich auch nicht in solchem Maße an den bislang
gebräuchlichen Gottheiten, wie eine Ägypterin. Sie hatte keine Kindheit
verbracht, bei der sie erfahren hatte, dass AMON, RA, PTAH und Co. von den
Eltern verehrt wurden. Sie hatte es niemals miterlebt, dass diesen Göttern in
einer nicht nur für Kinder emotional sehr beeindruckenden Weise die Opfer
dargebracht wurden. Sie konnte sicher den ganzen ägyptischen Pantheon eher über
Bord werfen und später tatsächlich verwüsten lassen, als ein Einheimischer es
je gekonnt hatte.
5.
Zuletzt gibt es da noch eine etymologische Auffälligkeit. Wieso wurde
ausgerechnet »ATON« zum einzigen Gott erklärt? Warum nicht RA? RA war bereits
einer der mächtigsten ägyptischen Götter und als der Sonnengott mit all den
wichtigen Attributen ausgestattet, die ATON erst zukommen mussten. Der berühmte
Sonnengesang, in dem die Verbindung ATON - Sonne besonders deutlich wird,
passt von allen dargestellten Eigenschaften her viel besser zu RA. Eine naheliegende
Erklärung könnte es sein, dass ATON eigentlich ein syrischer Gottesname zugrunde
liegt. Schließlich findet sich dieser Wortstamm außerhalb der ATON-Religion bei
dem syrischen Gottesnamen ADONIS und, später in der Bezeichnung der Israeliten
für einen Gott: ADONAI:
ADON-IS
ATON
ADON-AI
Nehmen
wir all diese Indizien zusammen, so können wir, den Ursprung des Monotheismus
zusammenfassend nicht umhin, uns einer Meinung anzuschließen, die R. CHARROUX
bereits 1964 verfasste:
"Vermutlich
lebte Moses am Hofe des Pharao - vielleicht gehörte er zur königlichen Familie
- und bekehrte sich zur Aton-Religion. Außer für seinen einzigen Gott empfand
Echnaton eine - sehr berechtigte - Verehrung für seine Schöne Gemahlin
Nofretete (»Die Schöne kommt«), die, wie man annimmt, aus Syrien stammte. Legte
Nofretete den Keim der monotheistischen Religion? Der französische
Schriftsteller und Ägyptologe Jean-Louis Bernard vertritt in seinem Buch L'Egypte
et la Genése du Surhomme diese Meinung (...). Nofretete strahlt nicht,
sie fasziniert, schreibt Jean-Louis Bernard. Sie ist edel, hochgemut,
geistreich, aber stolz und eigensinnig. Ihre Weiblichkeit hat etwas Überschwengliches,
Unversöhnliches, Abwegiges.
Dem
Aton-Kult liegen also drei Hauptpersonen zugrunde: Nofretete, die Ratgeberin;
Echnaton, der unglückliche Prinz, und Moses, der Realisator, der Verwirklicher,
der zum Befreier und Gesetzgeber des jüdischen Volkes werden sollte, indem er
ihm eine fix und fertige neue Religion beibrachte.” (Charroux 1964: 189f.).
Wir
wollen diesen psychoanalytisch nur inspirierten Exkurs zur Entstehung des
Monotheismus hier nicht weiter ausdehnen, sondern empfehlen ausdrücklich die
Lektüre von FREUDs abschließendem Werk. Jetzt kommt es darauf an, das bisher
gefundene festzuhalten:
Alle
Religionen berichten im Grunde dasselbe. Sie haben nur verschiedene Namen für
ihre Götter, verschiedene Geographien, lokal gefärbte Nuancen. Alle Religionen
berichten, die Erde sei von den GÖTTERN erschaffen worden. Und sie beschreiben,
es habe einst GÖTTER gegeben, die vom Himmel gekommen seien, die Menschen
erzeugten, belehrten und ihnen Wissen vermittelten sowie auf der Erde einige
Taten vollbrachten.
Auch
die Bibel berichtet nichts anderes, trotz der Überarbeitung und der
Indoktrination durch die Theologen. Wir werden es noch genauer zeigen. Es
stellt eine einzigartige Verfremdung und Verleugnung des alten polytheistischen
Textes dar, dass in den Texten der fünf Bücher Mose laufend der Singular GOTT
auftaucht, dass wir überhaupt im Alten Testament eine Religion finden, in der
von einem einzigen GOTT die Rede ist. Diese Überarbeitung des Polytheismus verdanken
wir von der Praxis her gesehen MOSES, von der ersten Realisierung her dem
ägyptischen Pharao ECHNATON, aber von der Idee, den originalen
"Urheberrechten" her vermutlich seiner Gemahlin NOFRETETE.